„Made in Italy“: Ein Mythos zwischen Schein und Sein

„Made in Italy“ – Wie viel Italien steckt wirklich drin? Ein Blick hinter die Nähmaschine.

Das Label „Made in Italy“ klingt nach Luxus, Qualität und Handwerk – aber wer schaut wirklich hin, wo und von wem unsere Kleidung genäht wird? Als Textilunternehmerin teile ich heute einen offenen Blick hinter die Kulissen der Modeindustrie.

Der Mythos um „Made in Italy“

„Made in Italy“ – drei Worte, die sofort Assoziationen wecken: feinste Stoffe, italienische Schneiderkunst, jahrzehntelange Tradition. Für viele Konsument*innen ist es ein Kaufgrund, ein Qualitätsversprechen, fast ein Gütesiegel.

Doch was steckt wirklich hinter diesem Etikett? Was viele nicht wissen: Es ist nicht automatisch ein Zeichen dafür, dass die Kleidung unter fairen Bedingungen in liebevoller Handarbeit von italienischen Näherinnen gefertigt wurde. Oft bedeutet es nur, dass der letzte Produktionsschritt – etwa das Annähen des Etiketts oder das Bügeln – in Italien stattgefunden hat. Der Rest? Findet längst in einem anderen Kosmos statt.

Made in Italy – ja. Aber von wem?

Besonders in Städten wie Prato, nahe Florenz, hat sich eine riesige Produktionslandschaft etabliert, die überwiegend von chinesischstämmigen Arbeiter*innen betrieben wird. Viele dieser Fabriken produzieren für große, international gefeierte Marken, die mit dem Image von italienischer Exzellenz spielen – dabei findet der Großteil der Arbeit unter Bedingungen statt, die mit diesem Image wenig zu tun haben.

Sind die Produkte schlecht? Nein, oft nicht. Die Arbeiter*innen sind extrem fleißig und präzise – aber das romantische Bild, das uns verkauft wird, hat mit der Realität wenig gemeinsam.

Wenige sprechen darüber – ich schon.

Ich führe selbst ein Textilunternehmen. Ich weiß, was es bedeutet, echte Qualität zu liefern. Ich sehe aber auch, wie sehr viele europäische Marken mit Etiketten und Emotionen spielen, um Konsumenten von den wahren Produktionsbedingungen abzulenken.

Es ist frustrierend, wenn man selbst mit viel Aufwand, Ethik und Qualität arbeitet – und dann Marken sieht, die den höheren Preis allein mit dem Label „Made in Italy“ rechtfertigen, obwohl die eigentliche Leistung von anonymen Näher*innen in Schichtarbeit erbracht wurde, oft zu niedrigsten Löhnen.

Warum für mich Herkunft nicht alles ist – aber Ehrlichkeit schon.

Ich habe mich bewusst dagegen entschieden, meine Marke über Etiketten zu definieren. Sunita Suits steht nicht für einen Ort – sondern für eine Haltung. Für handverlesene Stoffe, saubere Schnitte, hohe Schneiderkunst, faire Bedingungen und echte Transparenz.

Ob ein Kleidungsstück in der Schweiz, in Thailand oder Italien gefertigt wird, ist für mich zweitrangig – so lange alle, die daran arbeiten, mit Würde, Fairness und Respekt behandelt werden. Das ist für mich der wahre Luxus: zu wissen, wer dein Produkt gefertigt hat, und mit welchem Wert dahinter.

Transparenz ist der neue Luxus

Die neue Generation von Kund*innen ist aufgeweckter denn je. Sie fragen nach. Sie wollen wissen, woher ihre Kleidung kommt. Sie suchen keine Märchen mehr, sondern Authentizität.

Ich glaube: Transparenz ist kein Nachteil – sondern unsere stärkste Waffe als ehrliche Marken. Gerade in einer Welt voller Täuschung wird Aufrichtigkeit zum Alleinstellungsmerkmal.

Bei Sunita Suits bekommst du keine Marketingfloskeln, sondern ehrliche Einblicke. Ich zeige dir, wo produziert wird, wer dahintersteht und warum unsere Stücke nicht nur schön aussehen, sondern sich auch gut anfühlen – für dich und für die Menschen, die sie möglich machen.

Was bedeutet „Made in Italy“ rechtlich überhaupt?

Das Label „Made in Italy“ ist kein geschützter Herkunftsnachweis im strengen Sinne, sondern richtet sich in der Praxis nach den allgemeinen Zoll- und Ursprungsregeln der EU (insbesondere nach dem „non-preferentiellen Ursprung“ laut EU-Zollkodex).

🧵 Was bedeutet das konkret für Kleidung?

Ein Produkt darf als „Made in Italy“ bezeichnet werden, wenn der letzte wesentliche Verarbeitungsschritt in Italien stattgefunden hat. Und das kann im Extremfall bedeuten:

Wenn z. B. der Stoff in China gewebt, das Design in Bangladesch erstellt und das Kleidungsstück dort auch weitgehend zusammengenäht wurde – aber in Italien nur noch das Etikett angenäht, gebügelt oder verpackt wurde – darf es trotzdem „Made in Italy“ heißen.

📜 Rechtsgrundlage dafür:

Die rechtliche Basis ist:

  • EU-Zollkodex, Art. 60, und

  • die Anwendung durch nationale Zollbehörden.

Demnach gilt:

„Der Ursprungsort einer Ware ist das Land, in dem sie letztmals wesentlich be- oder verarbeitet wurde.“

Was dabei als „wesentlich“ zählt, ist nicht immer eine Frage der Arbeitszeit oder Handarbeit, sondern kann auch eine rein technische, logistische oder symbolische Tätigkeit sein – z. B. das finale Montieren oder Verpacken.


😶 Was heißt das für Verbraucher?

  • Du kannst ein Produkt mit „Made in Italy“-Etikett in der Hand halten, bei dem 99 % der Herstellung nicht in Italien stattfand.

  • Das Etikett suggeriert Qualität und Tradition, wo unter Umständen nur ein Arbeitsschritt in einem italienischen Vorort stattfand – oft von Arbeiter*innen mit Migrationshintergrund unter unsicheren Bedingungen.


📌 Fazit:

Das Label „Made in Italy“ sagt viel über Marketing, aber wenig über echte Herkunft oder faire Produktion.
Deshalb ist es wichtiger denn je, hinter das Etikett zu schauen – und die ganze Geschichte eines Produkts zu kennen.

Fazit: Schau hinter das Etikett

„Made in Italy“ klingt schön – aber echtes Handwerk braucht keine großen Worte, sondern ehrliche Arbeit. Ich wünsche mir mehr kritisches Denken, mehr Fragen, mehr Interesse an der Geschichte hinter dem Kleidungsstück.

Wenn du das nächste Mal einkaufen gehst, frag dich: Was bedeutet dieses Etikett wirklich? Und wenn du magst, begleite mich auf meinem Weg zu einer Mode, die sich nicht nur gut verkauft – sondern auch gut anfühlt.

Über die Autorin

Sunita Kunsanthia ist in einem Schneiderbetrieb aufgewachsen – schon früh waren Stoffe, Schnitte und Handwerk Teil ihres Lebens. 2004 gründete sie ihr eigenes Label Sunita Suits, das für hochwertige Maßarbeit, sorgfältig ausgewählte Stoffe und faire, transparente Produktionsbedingungen steht.

Die Kollektionen von Sunita Suits werden in Thailand gefertigt – von einem eingespielten Team aus langjährigen Schneiderinnen und Schneidern, die teilweise seit über zehn Jahren für das Label arbeiten. Ihre Erfahrung und handwerkliche Präzision garantieren Kleidungsstücke auf höchstem Niveau.

Mit ihrer Expertise teilt Sunita regelmäßig Einblicke in die Modebranche, räumt mit Mythen auf und setzt sich für mehr Ehrlichkeit, Qualität und Respekt in der Mode ein.